Gemeinsam gegen Gewalt im Gesundheitswesen: Deeskalationstraining speziell für Gesundheitsberufe entwickelt Landesregierung und Ärztekammern im Schulterschluss für mehr Schutz von Beschäftigten in Kliniken und Praxen
Die Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen, das Klinikum Leverkusen und Experten der Polizei Recklinghausen haben als Kooperationspartner im landesweiten Präventionsnetzwerk „Sicher im Dienst“ ein Deeskalationstraining entwickelt, das speziell auf die Anforderungen in der Patientenversorgung abgestimmt ist und Beschäftigte in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Gesundheitseinrichtungen im Umgang mit aggressivem Verhalten schult. Das Angebot reiht sich ein in das gemeinsame Vorgehen von Landesregierung und Partnern gegen Gewalt gegenüber Beschäftigten im Gesundheitswesen.
„Berichte über Gewalt gegenüber denjenigen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, anderen zu helfen, bestürzen mich zutiefst. Als Gesundheitsministerium haben wir zusammen mit Akteuren des Gesundheitswesens in Nordrhein-Westfalen eine gemeinsame Resolution verabschiedet und eine Kampagne gestartet, um öffentlichkeitswirksam auf das Problem von Übergriffen aufmerksam zu machen und zugleich Solidarität mit allen Beschäftigten im Gesundheitswesen zu zeigen. Ich begrüße sehr, dass die Ärztekammern gemeinsam mit dem Präventionsnetzwerk ‚Sicher im Dienst‘ ein Deeskalationstraining speziell für Beschäftigte des Gesundheitswesens entwickelt haben. Es hilft Ärztinnen, Ärzten, medizinischem und pharmazeutischem Fachpersonal, Rettungskräften, Pflegekräften und allen weiteren Beschäftigten im Gesundheitswesen, Gewaltsituationen rechtzeitig zu erkennen, sich im Ernstfall richtig zu verhalten und so besser gegen Gewalt zu schützen“, erklärt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
„Menschen in Streifenwagen, in der Verwaltung oder in Pflegeeinrichtungen eint nicht nur, dass sie für uns alle im Einsatz sind, sondern auch, dass sie heute immer öfter Zielscheibe von Gewalt werden. Gerade Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal und medizinische Fachkräfte sind häufig mit schwierigen Situationen, manchmal auch mit aggressiven Menschen konfrontiert. Mit dem neuen Deeskalationstraining geben wir ihnen Werkzeuge an die Hand, um sicher zu bleiben und Eskalation früh zu stoppen. Wir lassen niemanden allein, der im Dienst für andere da ist. Unser Ziel ist klar: Wer hilft, verdient Respekt. Niemand im Gesundheitswesen muss Beleidigungen oder Übergriffe einfach hinnehmen. Wir stehen zusammen für mehr Sicherheit überall im Dienst“, sagt Innenminister Herbert Reul.
„Gewalt darf kein normaler Teil des Berufsalltags im Gesundheitswesen sein“, betont Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein bei der Präsentation des neuen Curriculums zur Ausbildung von Deeskalationstrainern. „Ein wirksamer Schutz vor Gewalt beginnt bei der Analyse des Problems, geht über gezielte Schulungen und präventive Maßnahmen und endet bei der klaren Feststellung, dass die Gewalttäter nicht nur ihren individuellen Opfern schaden, sondern dem Gesundheitssystem und damit der Gesellschaft insgesamt.“
„Die Hemmschwelle für aggressives oder beleidigendes Verhalten sinkt und die Gewaltbereitschaft nimmt zu. Diese Gewalterfahrungen belasten viele Kolleginnen und Kollegen massiv“, unterstreicht Dr. Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. „Deshalb muss der Schutz ausgeweitet und Gewalttaten müssen konsequent angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden. Es ist nicht zu verstehen, warum bislang gerade die ambulante und stationäre Patientenversorgung vom besonderen Schutz durch das Strafrecht ausgenommen ist. Aber wir müssen auch selbst, wie wir es nun mit dem Deeskalationstraining tun, die Initiative ergreifen, um der Gewalt entgegen zu wirken.“
„Deeskalation ist keine Zusatzqualifikation, sondern eine Kernkompetenz in einem Berufsfeld, das immer öfter an die Grenze der Belastbarkeit gerät“, so Prof. Dr. Gisbert Knichwitz, MBA, Vorsitzender des Fortbildungsausschusses der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein.
Laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2024, an der sich rund 7.600 Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Medizinische Fachangestellte beteiligt hatten, gaben 85 Prozent der Befragten an, dass Beschimpfungen, Beleidigungen oder Bedrohungen durch Patientinnen und Patienten in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hätten. Ähnliche Zahlen liegen aus Krankenhäusern und Notaufnahmen vor. In einer Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft aus dem Jahr 2024 gaben 73 Prozent der Krankenhäuser an, dass die Zahl der Übergriffe in ihren Häusern in den vergangenen fünf Jahren gestiegen ist.
Das neue Trainingskonzept basiert auf einem 2023 eingeführten Deeskalationstraining von „Sicher im Dienst“ für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Die erste Fortbildung für den Bereich des Gesundheitswesens fand auf dem Medizinischen Kongress „ä25“ Anfang Oktober in Bonn statt. Um möglichst viele Beschäftigte schulen zu können, bilden die Ärztekammern die Deeskalationstrainerinnen und Deeskalationstrainer über ihre Fortbildungsakademien aus. Einrichtungen, die Interesse an der Ausbildung von Mitarbeitenden als Deeskalationstrainer oder -trainerinnen haben, können sich ab sofort über die Websites https://www.akademie-nordrhein.de sowie https://www.akademie-wl.de informieren und anmelden.
Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.land.nrw/pressemitteilung/gemeinsam-gegen-gewalt-im-gesundheitswesen-deeskalationstraining-speziell-fuer